Vietnam-Veteranen:
Mehr Suizide als Kriegstote
(c) EPA (Matthew Cavanaugh) 24.10.2007 um 15:5
Nach dem Vietnamkrieg begingen mehr US-Veteranen Selbstmord als im Krieg starben. Alarmierende Zahlen auch bei Soldaten, die im Irak und in Afghanistan dienten.
,… Die Zahl der Vietnam-Veteranen, die ihrem Leben selbst ein Ende gesetzt hätten, sei mit mehr als 58.000 inzwischen höher als die Zahl der US-amerikanischen Kriegstoten. … (APA/Red.)
https://www.diepresse.com/338984/vietnam-veteranen-mehr-suizide-als-kriegstote
Kriegsfolgen
… mehr Veteranen-Selbstmorde als Gefallene im Irak
… New York – Die Selbstmordrate unter ehemaligen US-Soldaten ist doppelt so hoch wie in der Normalbevölkerung des Landes. Allein 2005 haben sich 6256 ehemalige Soldaten umgebracht, berichtet CBS – das sind durchschnittlich 17 Suizide pro Tag. Der Studie des Fernsehsenders liegt eine Umfrage in 45 US-Bundesstaaten zu Grunde…
US-Soldaten im Irak: „Als er zurückkam, waren seine Augen tot“ – so beschreibt eine Mutter ihren Sohn, der später Selbstmord beging.
Die Selbstmordrate in der Gesamtbevölkerung liege bei 8,9 von 100.000 Menschen, bei ehemaligen Armeeangehörigen 18,7 bis 20,8. Unter jungen Menschen zwischen 20 und 24 Jahren liege die Rate sogar bei 22,9 bis 31,9 – und damit viermal so hoch wie bei Altersgenossen, die nicht in der Armee dienten.
Laut „New York Times“, die ebenfalls über die CBS-Studie berichtet, ist die Zahl der Selbstmorde Ex-Armeeangehöriger sogar höher als die Zahl aller US-Soldaten, die seit 2003 im Irak-Einsatz ums Leben gekommen sind. Dort starben 3863 Armeeangehörige. Das Blatt spricht von einer regelrechten Suizid-Epidemie.
… In der vergangenen Woche zeigte eine andere erschreckende Studie über Kriegsheimkehrer, dass sie einen überdurchschnittlichen Anteil unter den Obdachlosen im Land haben: 25 Prozent – obwohl sie lediglich 11 Prozent der erwachsenen Gesamtbevölkerung stellen …
Ukraine Donbass-Krieg:
Immer mehr Soldaten begehen Selbstmord
MDR – Stand: 09. Mai 2018, 16:47 Uhr
Mehr als 1.000 Soldaten sollen seit Beginn des Donbass-Kriegs in der Ukraine Selbstmord begangen haben. Das zeigt vor allem eines: Kiew scheitert daran, Soldaten und Veteranen angemessene psychologische Hilfe zu leisten. Die Kriegsheimkehrer sind quasi auf sich allein gestellt. Die private Initiative „Veterano Group“ will ihnen Lebensqualität zurückgeben.
Bis vor vier Jahren war für die meisten Ukrainer ein Krieg in ihrem Land undenkbar. Die Wehrpflicht sollte sogar abgeschafft und eine Berufsarmee eingeführt werden. Doch dann brach der Donbass-Krieg aus, der alles veränderte. Auf einmal waren die Ukrainer mit komplett neuen Problemen konfrontiert. So forderte die militärische Auseinandersetzung mit prorussischen Separatisten im Osten des Landes laut UN-Schätzungen mehr als 10.000 Opfer. Zudem sollen etwa 330.000 Ukrainer an Kriegshandlungen in der sogenannten ATO-Zone, damit werden die Gebiete von Donezk and Luhansk bezeichnet, die unter Kontrolle des russischen Militärs sind, beteiligt gewesen sein.
Wie hoch ist die Selbstmordrate tatsächlich?
Die Ukraine stand plötzlich vor zwei schwierigen Aufgaben. Zum einen sollten die Motivation der Soldaten trotz der extremen Situation aufrecht erhalten werden. Zum anderen waren Tausende Kriegsheimkehrer in die Gesellschaft zu integrieren. Offenbar scheitert Kiew an beiden Aufgaben. Denn laut Olexander Tretjakow, dem Vorsitzenden des Parlamentsausschusses für Veteranen, haben seit dem Ausbruch des Konflikts über 1.000 Kriegsteilnehmer Selbstmord begangen. Dabei handelt es sich um eine Schätzung, denn genaue Zahlen sind nur schwer zu ermitteln. Offizielle Stellen geben die Zahl geringer an. So waren es laut Staatsregister, mit Stand zum 1. April, mindestens 554 Kriegsteilnehmer, die Selbstmord begangen haben.
„Bei den Menschen, die sich lange in der Kriegszone befinden, liegt die Selbstmordrate in diesem Jahr bei zwei bis drei Suiziden pro Woche“, sagt der Militärstaatsanwalt Anatolij Matios, mit steigender Tendenz. So waren es 2016 insgesamt 63 Soldaten, die in der Kriegszone Selbstmord begingen. „Leider sind es größtenteils sehr junge Männer, die zwischen 1995 und 1998 geboren sind“, fügt Matios hinzu. Offiziell bestätigt das Verteidigungsministerium die Angaben des Militärstaatsanwaltes nicht. Inoffiziell ist aber auch aus dem Ministerium zu hören, dass sie der Wahrheit entsprächen. …
Bundeswehrsoldaten nach dem Afghanistan-Einsatz …
Immer mehr deutsche Soldaten, die in Afghanistan im Einsatz waren, nehmen sich das Leben Die Bundeswehr schweigt und erfasst längst nicht alle Fälle – das gefährdet auch die Familien der Rückkehrer…
Familien leiden unter „Sekundärtraumatisierungen“
Es sind nicht nur die Soldaten, die unter den Einsatzerfahrungen leiden. Psychologen sprechen von „Sekundärtraumatisierungen“. Betroffen sind davon vor allem die Familien der Einsatzheimkehrer. Wer an einer Posttraumatischen Belastungsstörung leidet, ist meist aggressiv, oft auch gewalttätig, in jedem Fall aber kein verlässlicher Partner und Vater. „Kinder neigen dazu, sich selbst die Schuld zu geben, wenn der Vater oder die Mutter grob oder gereizt reagieren“, erklärt Militärpsychologe Biesold. Auch sie könnten daher depressiv werden, wenn ein Elternteil an PTBS erkrankt sei. Die 13-jährige Tochter eines Betroffenen, der nicht namentlich genannt werden möchte, hat sogar selbst schon versucht, sich das Leben zu nehmen. Der Zusammenhang mit seiner eigenen PTBS-Erkrankung sei in der nachfolgenden Therapie eindeutig festgestellt worden, sagte der frühere Einsatzsoldat dem Tagesspiegel. …
Transgenerationale Weitergabe von Traumata
Die Folgen des 2. Weltkriegs aus Sicht der Kriegsenkel
Ein Vortrag von Dorothe Eisenstecken
Kriegsenkel
Als Kriegsenkel werden die Geburtsjahrgänge 1960-1975 bezeichnet. Es handelt sich dabei um die Kinder der Kriegskinder, um Friedenskinder, die in Zeiten des Wohlstands aufgewachsen und im Grunde mit allen Voraussetzungen für ein erfolgreiches Leben ausgestattet sind. Es ist aber auch die Altersgruppe, die am stärksten Psychotherapie in Anspruch nimmt, die demnach eine große Unzufriedenheit zu verspüren scheint, die in lange Zeit unbeachteten generationsspezifischen Gemeinsamkeiten zum Ausdruck kommt:
• diffuse Identität: Gefühl, nicht zu wissen, wer sie sind, wohin sie wollen, nicht das eigene Leben zu leben
• diffuse Ängste (Zukunfts-/Versagens-/Existenzangst)
• Blockaden
• Gefühl der Schwere; Fehlen von Leichtigkeit
• tief sitzende Verunsicherung
• Selbstzweifel
• Gefühl der Einsamkeit
• mangelndes Selbstwertgefühl
• Hang zum Perfektionismus: wird sichtbar in Fleiß oder lähmender Entscheidungsschwäche
• Bindungsschwierigkeiten, fehlender Mut zur Familiengründung, Kinderlosigkeit
• Gefühl der Fremdheit den Eltern gegenüber, dennoch Sehnsucht nach ihrer Nähe
• Schwierigkeiten und Unverständnis zwischen den Generationen
• Gefühl, Potenziale nicht auszuschöpfen, hinter den eigenen Fähigkeiten zurückzubleiben,
gebremst zu sein
• leicht zu irritierende Wahrnehmung
• Gefühl, nirgendwo zuhause zu sein
• enormer Leistungsdruck trotz Sehnsucht nach innerer Ruhe, dem Wunsch, im eigenen Leben anzukommen
• trotz Höchstleistungen kein Gefühl der Befriedigung, stattdessen Erschöpfung
• quälende Selbstermahnungen: Stell dich nicht so an. Reiß dich mal zusammen.
Dir geht es doch gut. Anderen geht es viel schlechter. Du hast doch alles.
Wie kann das sein? In den meisten Familien gibt es im Grunde wenig Spektakuläres zu berichten.
Die Eltern waren weder sonderlich streng, noch hatten sie ihre Kinder vernachlässigt. Es gab Familienurlaube und zu Weihnachten Geschenke. Viele Kinder der Kriegsenkelgeneration hatten ein normales Familienleben mit normalen Problemen und Spannungen.
Hypothese:
Die Ursache dieses Phänomens sind die nicht verarbeiteten Erlebnisse der
Kriegsgeneration.
Transgenerationale Weitergabe
Katastrophen, Krieg, Flucht und Vertreibung, Gewalterfahrungen lösen oft traumatische
Erfahrungen aus, die die Betroffenen ein Leben lang belasten und die sie nicht selten an die Nachkommen weitergeben, obwohl diese selbst keinen derartigen Traumata ausgesetzt waren.
Bei deren Kindern oder sogar bei den Enkeln der Betroffenen können diese unverarbeiteten Erlebnisse und Gefühle zu seelischen Störungen führen. Traumata können über Generationen hinweg weitergegeben werden, man spricht hier von „transgenerationalen Weitergabe“.
Bezogen auf den 2. Weltkrieg ist es das Gefühl der Entwurzelung bei den Vertriebenen, die Beklemmung der Verschütteten, die Angst der von Tieffliegern Gejagten, die Einsamkeit der Kinderlandverschickten.
Kriegskinder
Um die Bedeutung der transgenerationalen Weitergabe zu verstehen, ist es wichtig, zu wissen, wer die Kriegskinder sind.
Kriegskinder sind die Geburtsjahrgänge 1930-1945. Sie werden auch als vergessene Generation bezeichnet, weil ihnen nicht bewusst war und ist, dass sie ein besonderes Schicksal eint, dass sie kriegstraumatisiert sind. Ein Großteil von ihnen hat in frühen Jahren verheerende Erfahrungen (Bombenkrieg, Vertreibung, Verlust und Trennung von Angehörigen, Gewalterfahrung, Todesangst,
Hunger, Kälte, Heimatverlust) gemacht, ohne das Gefühl zu haben, etwas Schlimmes erlebt zu haben…
Zusammenfassung
Kinder, die Kriege miterleben, sind verschiedenen Stressoren ausgesetzt. Die traumatisierenden Ereignisse lassen sich in drei zeitlich aufeinanderfolgende Phasen (Kriegszeit, Nachkriegszeit, bzw. Flucht und darauf folgende Rückkehr in die Heimat bzw. endgültiges Sich-Niederlassen in fremder Umgebung) aufteilen. Jede dieser drei Phasen ist mit spezifischen belastenden Ereignissen verbunden, wobei nachfolgende Phasen, sofern sie durchlebt werden, die Wirkung der vorhergegangenen jeweils verstärken können. Auf die Belastungen von Flüchtlingen, Verfolgten, Kriegsgefangenen und Kindersoldaten wird getrennt eingegangen.
Die Folgen dieser oft wiederholten und chronischen Belastungen für Kinder sind schwerwiegend. Im physischen Bereich resultieren Krankheiten, Behinderungen, Verletzungen, Verstümmelungen und Mangelernährung. Psychische Folgen sind Unruhe und Nervosität, emotionale Labilität, Kontaktangst, Depressivität, spezifische Ängste und Belastungsstörungen (insbesondere die posttraumatische Belastungsstörung). In sozialen Bereichen weisen die Kinder ein ausgeprägtes unangepasstes Sozialverhalten, stärkere Aggressivität, ein verzerrtes Moralverständnis und eine kognitive Anpassung an ihre gewalttätige, bedrohliche Umwelt auf.
Krieg und Kriegserfahrungen im Kindes- und Jugendalter
Krieg ist, wenn geschossen wird.
Krieg ist, wenn die Leute ihre Häuser verteidigen.
Krieg ist, wenn die Leute in die Luftschutzkeller laufen.
Krieg ist, wenn die Leute aus ihren Häusern vertrieben werden.
Krieg ist, wenn Papa nicht bei uns ist.
Dajana Rajcevic, 2. Klasse (Schäffer, 1994, S. 105).
Kinder haben unter kriegerischen Auswirkungen besonders stark zu leiden und sind somit in hohem Masse gefährdet. Da sie von ihrer Umgebung und ihrer Familie abhängig sind, sind sie der Zerstörung ihrer vertrauten Welt und den Gräueln des Krieges ohnmächtig ausgeliefert.
Im Januar 1994 meldeten die 12 UNICEF-Büros im ehemaligen Jugoslawien, dass seit dem Ausbruch des Krieges annähernd 15’000 Kinder getötet, zahllose Kinder verletzt und 620’000 Kinder aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Noch heute leben 281’000 Kinder in besetzten Gebieten (Schäffer, 1994, S. 9)…
Inhalt
1 KRIEG UND KRIEGSERFAHRUNGEN IM KINDES- UND JUGENDALTER
1.1 Psychisch belastende Kriegserlebnisse
1.1.1 Erste Phase der Kriegstraumatisierung
1.1.2 Zweite Phase der Kriegstraumatisierung
1.1.3 Dritte Phase der Kriegstraumatisierung
1.1.4 Konfrontationsgrad
2 FOLGEN VON KRIEGSERFAHRUNGEN FÜR KINDER UND JUGENDLICHE
2.1 Physische Folgen
2.2 Psychische Folgen
2.2.1 Akute Belastungsstörungen
2.2.2 Posttraumatische Belastungsstörungen (PTSD)
2.2.3 Symptomkategorien nach Alter
2.3 Entwicklung des Sozialverhaltens
2.4 Eltern-Kind Beziehung
3 FOLGEN VON BESONDEREN KRIEGSEREIGNISSEN
3.1 Folgen von Flucht und Emigration
3.2 Folgen für Kindersoldaten
3.3 Folgen für Verfolgte und Überlebende von Gefangenenlager
4 ABSCHLIESSENDE GEDANKEN
5 LITERATURVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS